Kennst du schon...? #001 Gothic Reloaded Mod


Kennst du schon...? #001 Gothic Reloaded Mod

ThielHater | 08.05.2021

Wir waren bei Christian und Felix zu Gast, die den Podcast "Start the game already!" betreiben. Ihr könnt die Folge entweder hören oder das nachstehende Transkript lesen [auf Soundclound und Spotify ist die Folge nicht mehr verfügbar, wir haben jedoch die Erlaubnis, sie hier weitehrin zur Verfügung zu stellen]. Viel Spaß dabei!

Felix: Herzlich Willkommen zu unserem neusten Podcast! Einen Podcast, auf den ich mich besonders freue, da es mit Modding um ein Thema geht, das mich wegen meiner eigenen Ausflüge in den Bereich zu Jugendzeiten sehr interessiert. Darüber reden werde ich, wie sich das für einen Start the game already-Podcast gehört, mit Christian. Hallo!

Christian: Hallo Felix.

Felix: Regelmäßige Hörer und Hörerinnen werden aber wissen, dass ich was dieses Thema angeht, mit Christian nicht weit komme und daher haben wir uns Verstärkung dazu geholt. Und zwar Pierre, den Leiter des Gothic Reloaded Projekts. Hallo und danke, dass du hier bist.

Pierre: Hallo, ihr beiden.

Felix: Genau um dieses Projekt soll es heute gehen. Eine Mod, die auf den ersten Blick die Grafik von Gothic 1 aufbessert, laut dem Blogeinträgen auf eurer Homepage allerdings vielleicht sogar "Mehr als nur ein Texturpatch" ist. Damit unsere Zuhörerschaft weiß, mit wem sie es hier zu tun hat, zunächst ein paar Worte zu deiner Person. Du bist 1992 geboren, kommst aus der Nähe von Düsseldorf und hast passend zum Modding Informatik studiert. Wer dich nicht als Pierre kennt, dem sagt vielleicht dein Gamertag "ThielHater" etwas, unter dem du im Gothic Forum und generell eure Onlinepräsenz unterwegs bist. Außerdem habe ich gesehen, dass du unter dem gleichen Namen auch schon einen Texturpatch veröffentlicht hast, dessen letzte Version aus dem Jahr 2007 ist. Da war ich 10 Jahre alt, das ist ganz schön lange her. [Alle lachen] Du hast da schon Sachen zu Gothic veröffentlicht und bist immer noch dran, das ist schon sehr faszinierend. Aber bevor wir zu dem Modding und allem drum herumkommen, darf Christian erstmal – für alle, die wie ich damals zu jung waren, um Gothic zu spielen und es auch nicht nachgeholt haben – das Spiel vorstellen.

Christian: Schande über dich Felix, dass du das nicht nachgeholt hast.

Felix: Es ist einfach nicht mehr gut spielbar heute, ich habe es versucht. Vielleicht, wenn die Mod dann fertig ist.

Christian: Ich darf hier meine volle Stärke auffahren und ein bisschen was zu Story sagen, die ist eh das Interessanteste im ganzen Spiel. Gothic 1 ist ein Singleplayer-Rollenspiel mit mittelalterlichem Setting. Es ist entwickelt worden von Piranha Bytes, einem Studio, welches in Deutschland zumindest einen hervorragenden Leumund genießt, insbesondere Anfang der 2000er Jahre. Dieses Spiel kam 2001 raus. Es folgte schon ein Jahr später das rundum beliebte Gothic 2, dann gab es noch ein – vor allem wegen nie endender Bugs – sehr unbeliebtes Gothic 3. Der Vollständigkeit halber erwähne ich aber noch das zutiefst verhasste Stiefkind Arcania, das selbst um seine Schande weiß und sich daher erst gar nicht Gothic 4 nennen wollte. [Pierre lacht] Aus dem Hause Piranha Bytes stammt dann auch noch die Risen-Reihe. Die Spiele habe ich auch alle gespielt, eigentlich sogar ganz gerne. Ich bin sehr stolz auf meine Risen 3 Platin-Trophäe auf der PlayStation 3. 2017 kam dann Elex raus und das Studio wurde 2019 von THQ Nordic aufgekauft. Die haben seit ein paar Jahren eine weltweite Einkaufstour gemacht und haben sich dann eben auch Piranha Bytes einverleibt. Seit einiger Zeit wird gemunkelt, dass Piranha Bytes jetzt unter THQ Nordics Finanzierung auch Elex 2 publizieren möchten oder zumindest daran arbeiten. Man weiß es aber nicht genau, das ist immer noch nicht offiziell bestätigt. Außerdem gibt es noch das Gothic 1 Remake, über das wir später am Ende noch ein bisschen mit Pierre sprechen möchten. Gothic 1 – dass kann man mit Sicherheit behaupten – war ein sehr beliebtes und erfolgreiches Spiel aus Deutschland, das vor allem in Deutschland seine größten Erfolge erzielte. Es hatte ein paar Eigenarten, für dieses Spiel noch heute gelobt wird und die meistens genannt werden, wenn ich andere Menschen nach Gothic 1 frage. Die derbe Ruhrpottsprache a lá "Halt die Fresse!" oder "Dann kriegst du ein volles Pfund auf's Maul!" sind Aussprüche, die man sonst von Spielen eher weniger kannte – insbesondere zu dieser Zeit. Dazu dann noch ein eher unterkühlter Humor, der zur rauen und dichten Welt passte und natürlich die Open World, in der man sich für verschiedene Fraktionen entscheiden kann. Der Plot ist eigentlich gar nicht so einfallsreich und einzigartig. Die Menschen des Königreichs werden nämlich von Orks überfallen und befinden sich im Krieg. Für den Krieg werden dann Rohstoffe benötigt, allen voran [magisches] Erz, welches in einer Gefängniskolonie abgebaut wird. Wir spielen einen namenlosen Verbrecher, der als Strafe in diese Kolonie geworfen wird. Das meine ich wörtlich und bildlich. Erstens werden wir tatsächlich im hohen Bogen hineingeworfen, wo wir dann von drei Männern aus der Kolonie freundlich mit den Worten "Willkommen im Lager." begrüßt und dann einfach mal richtig K.O. geschlagen werden. Das ist so ein toller Moment und übrigens ein gutes Foreshadowing dafür, wie es in der Kolonie dann eben so zu sich gehen wird. Es ist aber auch bildlich, da die Kolonie von einer magischen Barriere umgeben ist, die anfangs nur das Straflager umgab und sich dann aber aus unbekannten Gründen ausweitete und das gesamte Tal umschloss. Als das geschah, revoltierten die Gefangenen natürlich und erkämpften sich gewisse Rechte. Sie bauen zwar weiter Erz für den König ab, der immer noch Krieg gegen die Orks führt, aber dafür werden sie zumindest mal einigermaßen von ihm versorgt. So entstand dann eben eine Kolonie, die das alte, ursprüngliche Lager in der Mitte, das neue Lager im Westen, das Sumpflager im Osten, die Minen im Norden und schließlich eine Art Orkgebiet im Süden umschließt. Als Spieler muss man sich jetzt erstmal orientieren und durch diese Kolonie kämpfen, indem man sich einem der drei Lager anschließt, die daneben die drei Fraktionen darstellen und deutlich unterschiedliche Spielerfahrungen ermöglichen. Jede der Fraktionen hat so seine unterschiedlichen Motive, zum Beispiel wollen manche aus dem Lager ausbrechen, indem sie die Barriere zerstören. Die Fraktionen sind untereinander auch nicht unbedingt freundlich gesinnt, sodass es allerlei zu entdecken und mitzubekommen gibt und all das macht man, während man versucht, in der lagerinterne Hierarchie aufzusteigen und sich dann stetig vom Verbrecher zum Helden verwandelt. So mal meine Kurzzusammenfassung.

Felix: Ah ja, aber wir wollen heute weniger über das Spiel an sich, sondern mehr über's Modding reden und da würde ich sagen, wir sprechen erst mal über das Gothic Modding im Allgemeinen. Weil es grundsätzlich so ist, dass es manche Spiele gibt, die einem sehr leicht und gerne erlauben, an denen rum zu basteln, wo der Entwickler das geradezu unterstützt. Aber auf der anderen Seite gibt es auch Entwickler, die wirklich etwas dagegen haben, dass jemand an ihrer Arbeit rumfummelt und die Community dann über sehr lange Zeit hinweg teilweise eigene Tools entwickeln muss um mal an irgendwelche Kleinigkeiten ran zu kommen. Wie genau ist das denn bei Gothic?

Pierre: Damals haben die Entwickler der Engine, die sogenannten Mad Scientist, in Zusammenarbeit mit Piranha Bytes entschlossen, ein Mod Kit für Gothic 1 zu entwickeln und herauszugeben. Das konnte man sich dann kostenlos im Internet runterladen und findet darin fast alle Tools, die man braucht, um eine eigene Gothic Mod zu entwickeln. Im Laufe der Jahre wurden dann aber noch weitere Tools entwickelt, die einem als Modder noch Arbeit abnehmen und auch Dinge ermöglichen, die mit dem ursprünglichen Mod Kit nicht möglich waren.

Felix: Das heißt – für mich so als Vergleich – ich kann mir das vorstellen wie bei den Elder Scrolls-Spielen, wo zum Release oder meistens kurz danach dann ein Mod Kit rauskommt und dann gab es, glaube ich, sowohl für Oblivion als auch für Skyrim im Nachhinein noch diese Script Extender, welche dann noch weitreichendere Möglichkeiten geschaffen haben?

Pierre: Ich muss sagen für Skyrim hab ich jetzt noch nicht gemoddet, aber der Vergleich passt schon ganz gut.

Felix: Du hast gesagt, das Development Kit wurde von Piranha Bytes selber mitentwickelt, also in dem Fall haben sie die Modding-Szene durchaus unterstützt und die Modder mussten nicht gegen den Entwickler arbeiten.

Pierre: Ja, das ist richtig. Sie haben es damals sozusagen freiwillig "der Welt in die Hände gelegt". Entwickelt haben die Piranha Bytes es, würde ich jetzt mal behaupten, nicht selbst. Die Engine auf der Gothic basiert, die sogenannte ZenGin, wurde von drei Studenten entwickelt, die ihre Engine damals wiederum an Piranha Bytes verkauft haben, worauf dann Gothic entwickelt wurde und die Tools, die sie für Piranha Bytes entwickelt haben, wurden zusätzlich später nochmal veröffentlicht. Piranha Bytes haben die Engine eigentlich nicht selbst entwickelt.

Felix: Weißt du zufällig, ob sie das veröffentlichen durften, also ob das irgendwie in Absprache mit Piranha Bytes war oder ob die das eigenmächtig gemacht haben?

Pierre: Ich gehe mal stark davon aus, dass sie das durften. Damals war man sich eigentlich relativ einig, dass es sind sinnvoll ist und man den Leuten damit kleines Geschenk machen kann. Rückblickend auch eine absolut großartige Entscheidung, weil es – davon bin ich überzeugt – das ist, was die Marke Gothic so lange am Leben erhalten hat. Bei Gothic 2 später war es nicht ganz so einfach. Piranha Bytes hatte damals mit JoWood einen neuen Publisher und da gab es anscheinend gewisse Vorbehalte, ein Mod Kit für Gothic 2 rauszugeben.

Felix: Kam dann eins?

Pierre: Ja, da kam dann auch eines raus. Das muss man vor allem NicoDE anrechnen, mit bürgerlichem Namen Nico Bendlin. Er hat damals, kurz bevor das Gothic 1 Mod Kit rauskam, ein Tool geschrieben – NicoVDFS hieß es und später GothicVDFS – welches das Archiv- oder Container-Format von Gothic lesen und schreiben konnte. Das hatten Piranha Bytes mitbekommen und dann gab es einen Kontakt, sie haben ihn dann auch später als Entwickler eingestellt. Er hat dann mit an Gothic 2 gearbeitet und die Engine erweitert. Er war auch maßgeblich die treibende Kraft dahinter, das ein Mod Kit für Gothic 2 rausgekommen ist. Also nach allem, was ich gehört hab – ich habe auch schon persönlich mit ihm gesprochen. Damals war er quasi die treibende Kraft, die JoWood auch überzeugt hat "Hey, wir sollten auch für Gothic 2 Mod Kit rausbringen".

Felix: Ja, das finde ich ist auch immer eine super Entscheidung. Also Mods sind echt – mal abgesehen davon, wenn man sowas machen will, wie heutzutage Game As A Service – eine super Möglichkeit, um Spiele langfristig am Leben zu halten und gleichzeitig auch mit weniger Aufwand für den Entwickler verbunden. Ich habe gerade spaßeshalber nochmal nachgeguckt vor der Aufnahme: Skyrim ist tatsächlich in der Mod-freundlicheren Standard Version in der Liste auf Steam von den Spielen, die gerade von einer größeren Anzahl an Personen gespielt werden, höher als die eigentlich bessere und später rausgekommen Special Edition und das liegt hundertprozentig an der Mod-Freundlichkeit. Ich verstehe nicht wirklich die Entwickler, die sowas von vornherein ausschließen wollen und – wie du auch gerade gesagt hast – Mods sind einfach super um Spiele langfristig am Leben zu erhalten. Man merkt das auch an eurem Projekt. Ihr arbeitet immer noch daran und es gibt ganz offensichtlich auch immer noch Leute, die sich dafür interessieren.

Pierre: Ja, man muss sagen, es gibt da natürlich wirtschaftliche Erwägungen, warum man vielleicht sagt "Wir möchten doch kein Mod Kit rausbringen, weil wir möchten den nächsten Teil in den Laden bringen und wir möchten dafür die Verkaufszahlen hochhalten". Aber im Fall von Gothic, denke ich, hat sich das einfach total ausgezahlt.

Felix: Ich denke auch. Es ist auch gleichzeitig immer noch Werbung für den nächsten Teil, wenn der vorige Teil immer noch gespielt wird und nicht drei Wochen nach Release komplett untergeht. [Pierre lacht] Gibt es denn für Gothic außer euch noch größere laufende Projekte und generelle eine Modding-Szene?

Pierre: Da gehe ich von aus. Es gab eine ganze Reihe von anderen großen Projekten, wie zum Beispiel Legend of Ahssûn oder Odyssee, die jetzt auch schon fertig sind, und wir hinken da noch so ein bisschen hinterher. Ich muss sagen, ich bin gar nicht so up-to-date, was für andere Projekte noch laufen aktuell. Aber ich sag mal, die Community lebt und arbeitet auf jeden Fall noch.

Felix: Von den Sachen, die du erwähnt hast, sind sicher auch ein paar Total Conversions mit neuer Story und sowas drin?

Pierre: Genau, alle beide [lacht].

Felix: Wie ist das denn? Könnte man theoretisch eure Mod, die sich hauptsächlich auf die Grafik fokussiert, später mit solchen Total Conversion, die keine neuen Gegenstände einfügen oder generell neue Objekte, sondern hauptsächlich neue Story bringen, kombinieren?

Pierre: Ja, es wäre auf jeden Fall möglich, unsere grafischen Assets sag ich mal – unsere grafischen Inhalte – in andere Mods einzubauen. Leider gibt es für Gothic 1 selbst nicht so viele Mods, sondern halt sehr viele für Gothic 2, die davon nur bedingt profitieren könnten, weil da sieht das Minental halt einfach anders aus als im ersten Teil.

Felix: Okay. Ich habe nämlich vorhin, als ich alles vorbereitet habe, mal so ein bisschen geguckt, was du an Tools aufgeschrieben hattest in unserem Dokument und bin an diesem Ninja ein bisschen hängen geblieben, weil das – wenn ich es richtig verstehe – dafür sorgt, dass man Mods und Patches miteinander kombinieren kann und sich nicht quasi zwischen der Textur-Mod und einer Total Conversion mit Story entscheiden muss. Und das wird auch für eure Mod funktionieren?

Pierre: Ja genau. Ninja ist, du hast es jetzt schon genannt, quasi ein ganz neuer Vorstoß – also eine der zwei ganz aktuellen Entwicklungen im Gothic Modding – der es ermöglicht Dinge, welche bisher nur als Mod möglich waren, auch als Patch umzusetzen. Das hat vor allem historische Gründe. Du hast verschiedene Asset-Klassen. Also du hast zum Beispiel Texturen – das sind quasi die Bildchen, die man halt auf die Welt drauflegt. Dann hast du die 3D Meshes – die Welt selbst, irgendwelche Objekte und Items – und du hast natürlich die Skripte und die sind das Hauptproblem. Weil in Gothic um die Welt konkret zu gestalten, das ist eigentlich alles geskriptet. In einer eigenen Skriptsprache, welche die drei Entwickler der Engine auch entworfen haben, sie heißt Daedalus, und darin wird beschrieben, welche NPCs es gibt, welche Dialoge es gibt, welche Items es gibt. Da wird eigentlich fast alles drin beschrieben und diese Skripte werden dann kompiliert, das heißt, sie werden zu einer Datei zusammengepackt und du kannst Gothic quasi nur diese eine Datei hinschmeißen und sagen "Führ' das mal aus, diese Skripte". Es bestand sehr lange nicht die Möglichkeit, dass man da irgendwie etwas dran baut [weil du kannst Gothic nur einen Stand hinschmeißen und sagen "Führ' den mal aus."] und Ninja hat diese sehr ärgerliche Begrenzung endlich aufgehoben, so dass man jetzt auch Skript-seitig Patches schreiben kann und quasi einzelne NPCs einfügen oder einzelne Bugs fixen.

Felix: Gibt es das, außer in Gothic, noch in neueren Spielen? Also, dass Mods gewissermaßen exklusiv sind? Das ist was, davon habe ich vorher noch nie was gehört, bis ich da vorhin drüber gelesen habe.

Pierre: Ich wüsste jetzt nicht, ob es woanders so der Fall ist. Ehrlich gesagt, das ist eher untypisch. Das Mod Kit bringt eine ganze Reihe an Tools mit, aber wir haben halt diese Beschränkung, dass man quasi immer nur eine Mod spielen kann, was auch abweicht von anderen Spielen. Und wie gerade schon erwähnt, Ninja hat diese Beschränkung endgültig aufgehoben. Im Prinzip kann man jetzt alles als Patch umsetzen und das ist wunderbar, weil dann kann man Modifikationen quasi auch stapeln und gleichzeitig spielen. Ninja ist aber in dieser Hinsicht nur das Ende einer Kette. Es gab auch im Vorfeld noch andere Projekte, die das Gothic Modding um Tools erweitert haben. Namen, die man auf jeden Fall in diesem Kontext nennen muss, sind Ikarus von Sektenspinner und LeGo von Lehona und Gottfried. Man hat selber keinen Zugriff auf die Engine und man kann bestimmte Sachen im Spiel nicht ändern, aus diesen Skripten heraus. Das ist quasi die Schnittstelle, die einem als Modder angeboten wird und man hat nicht die ganze Wahlfreiheit, die jetzt ein Entwickler sonst hätte. Ikarus war, so der erste Punkt, um daraus auszubrechen. Sektenspinner hat damals eine Sicherheitslücke in der Komponente der Engine gefunden, die diese Skripte verarbeitet. Dann war es erstmals möglich, aus den Skripten auszubrechen und direkt in der Engine etwas zu verändern. Und das klingt tatsächlich auch schon sehr nach Hacking [Christian lacht] – was es eigentlich auch ist. Man muss sich das so vorstellen: Ein Prozess arbeitet mit Speicher, der Speicher ist linear adressiert. Das heißt, man kann es sich vorstellen, wie einen Zahlenstrahl mit ganzzahligen Zahlen von 0 bis "ein ziemlich große Zahl" und jede Zahl ist quasi eine Adresse. Man kann sich das im Prinzip vorstellen, wie eine unglaublich lange Straße. Jede Zahl adressiert eine Speicherzelle und darin steht eine Information. Jetzt brauchen wir aber einen Zeiger auf eine beliebige Speicherzelle, um diese dann lesen oder schreiben zu können und das wurde damals mit Ikarus erstmals möglich – weil Sektenspinner eine Sicherheitslücke gefunden hat in der Komponente der Engine, die die Skripte verarbeitet. Dann konnten wir quasi im Speicher des Spiels beliebig lesen und schreiben und wenn man das erstmal kann, dann kann man im Prinzip alles umsetzen. Darauf aufbauend gab es dann später das Skriptpaket LeGo, welches das Ganze erweitert und für die Modder noch einfacher verfügbar gemacht hat.

Christian: Das heißt, ihr habt im Grunde die Engine gehackt, damit ihr mehr Spielraum habt und das, was ihr vorhabt, nach euren Vorstellungen umsetzen könnt und euch nicht an die Restriktionen der Entwickler halten müsst?

Pierre: Wenn man es auf zwei Sätze runterbrechen möchte, dann haben wir genau das getan. Das war damals erstmal mit Ikarus und LeGo möglich und es war quasi groundbreaking! Es hat die Modding-Szene damals wirklich befeuert, ab da war im Prinzip alles möglich. Und deshalb muss man es im Prinzip auch erwähnen in der Historie hinsichtlich Ninja, weil beide Projekte Begrenzungen für uns aufgebrochen haben, die seit der Veröffentlichung des Mod Kits bestanden haben. Die sicherlich auch gar nicht irgendwie böse gemeint waren, sondern das wurde halt damals so entwickelt, dass es nicht möglich war – aber das ist kein böser Wille gewesen. Und wenn man dann weiß, welche Informationen im Speicher an welcher Adresse liegt, dann kann man einfach alles machen.

Felix: Wir haben jetzt gelernt, es gibt auf jeden Fall – wenn auch nur eine kleine – noch immer eine Modding-Szene rund um Gothic 1. Und dann gibt es, das hast du uns im Vorgespräch mitgeteilt, sogar ein – wenn ich mich recht entsinne – fast jährliches Moddertreffen, wo sich die Szene trifft, zusammenkommt und ein bisschen… Ja, über was genau redet ihr da?

Pierre: Das ist so richtig, im Schnitt alle anderthalb Jahre. Mal ein Jahr, mal zwei Jahre, mal am Anfang, mal am Ende treffen wir uns immer in der Mitte Deutschlands in diesem magischen Städtedreieck Kassel-Erfurt-Göttingen. Da gibt es dann eine Unterkunft. Meistens findet sich einer oder zwei, welche die Organisation übernehmen. Das läuft über das Forum www.worldofgothic.de, was ohnehin in Puncto Gothic und -Modding die erste und beste Anlaufstelle im Netz ist. Es ist für jeden offen, man kann auch als Nicht-Modder dahin kommen. Man meldet sich an, zahlt einen kleinen Beitrag für die Übernachtung und fürs Essen. Dann treffen wir uns da über ein Wochenende, diskutieren über unsere Projekte, über Probleme, man hilft sich gegenseitig und wir stellen unsere Projekte vor. Wir machen aber auch einen Spaziergang oder grillen oder spielen eine Runde Tennis. Also das ist ein sehr lustiges – sehr familiäres, möchte ich fast schon sagen – Zusammenkommen, das wir da haben. Jetzt aufgrund von Corona hat es letztes Jahr auch das erste Mal online stattgefunden, war aber nicht wirklich dasselbe.

Felix: Ja klar, das hat wahrscheinlich vor Ort immer so ein bisschen LAN-Party-Atmosphäre?

Pierre: Ja, das kann man gut vergleichen, aber eher so LAN-Party mit Arbeiten – und dann muss auch noch irgendwer kochen und aufräumen. Aber das findet sich immer und das ist einfach eine tolle Atmosphäre. [Felix lacht]

Christian: Wenn du jetzt arbeiten sagst, heißt das, dass ihr euch nicht nur theoretisch austauscht und eure Projekte gegenseitig präsentiert, sondern es wird auch vor Ort an den einzelnen Projekten weitergearbeitet?

Pierre: Genau, meistens an spezifischen Punkten, wo einer sagt "Ich komm hier nicht, weiter hat eine Lösung für Problem XY?". Dann setzt man sich zusammen und sagt "Ja hier, das habe ich schon mal gemacht, guck mal da und dort, so geht das".

Christian: Boah, das ist toll! Da kommen dann begeisterte Leute zusammen, die in ihren Projekten arbeiten und helfen sich gegenseitig. Das ist so eine Szene, da geht an einem komplett vorbei, was so im Hintergrund auf der Community-Ebene passiert. Das ist also… Ich bin richtig begeistert, was da passiert. In einem regelmäßigen Rhythmus über ein Spiel, das jetzt 20-jähriges Jubiläum feiert.

Pierre: Wir sind ein Haufen Verrückter. Zur Größeneinordnung: Es sind meistens so 20 bis 30 Leute, die sich da treffen.

Christian: Das ist schon ein mittelgroßes Entwicklerstudio [lacht].

Felix: Wollte ich grade sagen. Gerade für die Fan-Base und von so einem alten Spiel und dann noch so spezifisch im Modding, ist das schon eine recht große Gruppe, finde ich.

Pierre: Hmm.

Felix: Jetzt, denke ich, können wir mal so langsam in Richtung eures eigenen Projekts gehen und fangen am besten mal damit an, dass wir über deine Geschichte mit Gothic sprechen und vor allem, wie du zu Gothic gekommen bist, insbesondere dazu es zu modden.

Pierre: Ja, da muss ich ein wenig ausholen, das liegt auch schon sehr lange zurück. Es war so ungefähr… Es begab sich 2000 bis 2004, das war die Zeit. Für eure jüngeren Zuhörer klingt das jetzt vielleicht so ein bisschen nach "Opa erzählt aus dem Krieg", aber ich möchte nochmal darauf hinweisen: Das ist keine 20 Jahre her! [Alle lachen herzhaft] Und zwar war es damals so, dass meine Eltern sich hatten scheiden lassen, dadurch bekam ich dann zwei neue Stiefbrüder dazu – also fast nur Gewinne – und mein älterer Stiefbruder hatte als einziger von uns damals einen PC. Das war auch noch… Ich weiß nicht, der hatte damals 400 MHz Single Core und 64 MB RAM. Darauf haben wir dann damals Spiele gespielt – meistens hat er gespielt und wir durften dann zu gucken. Die Spiele damals konnte man auch nicht einfach aus dem Internet runterladen! Das war so die Zeit, wo gerade mal DSL deutschlandweit so langsam ausgerollt wurde. Wir sind dann damals – wir haben in einem 4000-Seelen-Dorf gewohnt – zur Tankstelle gegangen, so in der Dorfmitte. Es gibt da eine große Hauptstraße, da ist diese Tankstelle und das war einfach der größte, fußläufig erreichbare Zeitschriftenhandel für uns. Da haben wir uns damals die Computer Bild Spiele geholt und wenn ich heute ins Onlinearchiv von denen gucke, weiß ich, wenn ich die Cover sehe, noch genau welche Ausgaben wir hatten. Dann hat man sich halt mal ein paar Demos installiert und ein bisschen geguckt. Es gab immer ein paar Vollversion, eine Reihe an Demos und natürlich auch viele Artikel in dem Heft. Ein paar Jährchen später, es war vielleicht so 2003 bis 2004, da sind wir dann auf die Idee kommen, uns Gothic zu kaufen als Vollpreisspiel. Damals sind wir dann mit dem Bus nach Saturn gefahren und ich glaube, es lag damals auch schon auf der Software Pyramide. Die gibt es heute immer noch bei Saturn, oder? [Felix lacht]

Christian: Zumindest habe ich – noch vor Corona – als ich das letzte Mal in so einem Laden war, eine gesehen.

Pierre: Da haben wir damals Gothic geholt, das haben wir dann gespielt und wir waren einfach alle total geflasht von dem Spiel. Wir hatten ohnehin so eine gewisse Neigung, sag ich mal, zum Mittelalter, weil unsere Eltern auch gerne auf Mittelaltermärkte gehen und das war einfach toll. Diese dunkle und gefährliche Welt, dieser raue Ton. Was man teilweise den NPCs in manchen Dialogen an den Kopf werfen konnte, das konntest du dir gar nicht vorstellen zu dieser Zeit. Später habe ich dann einen eigenen PC bekommen. Auf dem habe ich dann auch Gothic gespielt, weil es mir halt sehr gut gefallen hat. Ich habe wirklich im Vorfeld überlegt, aber ich weiß nicht mehr genau, wie es war. Ich war damals ein komisches Kind, ich wollte immer alle Menüs durchklicken, alles angucken, alles ausprobieren, alles irgendwie anpassen möglicherweise auch. Ich hatte eine kostenlose Demo von Adobe Photoshop irgendwoher bekommen, Photoshop CS 2 war das damals noch, und dann dachte ich "Hey, ich kann doch mal in diesem Spiel irgendwie Texturen bearbeiten. Das wäre doch der Hammer!". Und dann habe ich damals diesen kleinen, nach heutigen Maßstäben nicht mehr allzu schönen, Texturpatch erstellt und veröffentlicht. Später reifte dann in mir die Idee, man könnte das Ganze doch eigentlich mal ein bisschen größer machen, im Prinzip "mal eben die ganze Grafik von Gothic überarbeiten". Ich war aber immerhin so realistisch, dass ich dachte "Moment, dafür brauche ich ein Team" und dann habe ich halt einen Thread erstellt. Auf worldofgothic.de im Editing-Unterforum war es, glaube ich. Und dann habe ich gesagt "Ey hier, ich hab das vor. Wer hätte Lust, da mitzumachen?". Und dann haben sich ein paar Leute gemeldet, von denen die meisten auch heute noch mit dabei sind.

Christian: Ich habe dazu ein paar Fragen. Erstens: Du hast diesen Texturpatch, von dem du gerade gesprochen hast, 2007 veröffentlichten. Da warst du so ungefähr 15 Jahre alt, wenn ich jetzt mal richtig gerechnet habe. Woher hattest du denn das Wissen zu alldem, wenn du erst gar nicht so lange vorher auch deinen ersten PC bekommen hattest? Ich erinnere mich, mit 15 war ich immer begeistert, wenn ich in der Lage war, irgendwie mal einen Patch auf Pharao zu installieren, damit ich das wieder in bessere Auflösung oder so spielen kann.

Pierre: [lacht] Ja, ich habe mal geguckt. Ich habe nämlich tatsächlich die Rechnung noch von meinen ersten PC, den habe ich 2003 bekommen. Und, wie habe ich mir das so angeeignet? Eigentlich – muss ich wirklich so sagen – autodidaktisch. Ich kann es nicht mehr genau nachvollziehen, das eine hat quasi das andere ergeben und dann hab ich es mal ausprobiert.

Felix: Nicht schlecht. Ich erinnere mich, als ich damals die Anfänge gemacht hab und so ein bisschen ins Programmieren rein kam… Ich glaube, das ist mir nur gelungen, weil ich damals einen sehr viel älteren, guten Freund hatte, der als ich in dem Alter auch ungefähr war, schon angefangen hatte Informatik zu studieren. Der hatte da auch sehr viel Ahnung und hat mich dann eingeführt soweit ich das eben wissen wollte und musste. Aber sich das selber beizubringen, das stelle ich mir sehr schwer vor. Weißt du ungefähr, wie lange das gedauert hat bist du da auf einem Stand warst, dass du wirklich was erreichen konntest?

Pierre: Man muss sagen, ich habe mich… also ein Texturpatch zu erstellen ist natürlich nur ein ganz kleiner Ausschnitt von dem, was im Gothic Modding möglich ist und so viel muss man gar nicht wissen. Man muss eigentlich nur wissen, wie öffne ich das Archivformat von Gothic, wie hole ich mir die Texturen raus, wie bearbeite ich Sie und wie packe ich sie nachher wieder zurück? Und da gibt es dann auch tatsächlich Online-Artikel auf worldofgothic.de, die einem erklären, wie bestimmte Dinge funktionieren. Und auch das Mod Kit selber hat eine Dokumentation. Die ist zwar nicht vollumfänglich, aber doch schon hinreichend ist, um damit etwas anzufangen. Die ist zwar sehr technisch und man muss sich da durchbeißen. Das ist nicht vergleichbar mit… Ach ich weiß nicht, "Unreal Engine, ich klick mir mal hier eben was zusammen", aber es ging.

Christian: Und das heißt, deine ersten Modding-Erfahrungen mit diesem Texturpatch, die haben dich dann dazu bewegt, dich mit diesen Themen auseinander zu setzen? Das heißt, du hast wirklich anlässlich Gothic 1 angefangen, dir diese Dinge autodidaktisch beizubringen? Und nicht etwa, dass du vorher diese Dinge schon gekonnt hast aus dem Eigeninteresse heraus und dann gedacht "Oh, das mache ich zusammen mit Gothic!"?

Pierre: Das kann ich nicht mehr so genau sagen, rückblickend. Es war schon mein erstes Projekt, aber ich weiß nicht mehr, ob ich vorher irgendwo anders noch irgendwelche Kleinigkeiten mal probiert hab.

Christian: Warum eigentlich gerade Gothic 1 und nicht Gothic 2? Das ist ja ein bisschen größer und hat schon eine andere Grafik, wenn man so will, was die Farbpalette zum Beispiel angeht. Also warum gerade dieses düstere Gothic 1?

Pierre: Mir hat Gothic 1 einfach aus rein subjektiven Gründen eher zugesagt, so dass ich da eher bereit war und dachte "Ja komm, in der Richtung kannst du mal was machen". Gothic 2 war auch für mich fast schon zu bunt, fast schon ein bisschen zu viel Fantasy – auch mit den Drachen. Gothic 1 fand einfach viel, viel spannender.

Christian: Und dann hast du da… ist es zu früh gesagt, um es ein Lebenswerk zu nennen? [Felix und Pierre lachen] Ein großes Projekt gewagt, die Gothic Reloaded. Ich finde, das hat schon so einen bedeutungsschwangeren Namen "Reloaded", das ist ein richtig guter Name. Was waren deine ersten Konzepte dieses größeren Projekts, nach dem ersten Texturpatch, den du gemacht hast? Was war deine erste Vision und wie hat sich das dann so im Laufe der Zeit verändert?

Pierre: Ich habe festgestellt, es hat sich eigentlich nicht viel verändert. Der Plan war schon damals "Lass uns doch mal die ganze Welt überarbeiten", also möglichst alle Texturen und die ganze Welt an sich etwas runter machen und die Items bearbeiten. Das Einzige, was jetzt wirklich seitdem weggefallen ist, ist die Bearbeitung von Animationen. Die wollte ich damals auch noch ein bisschen flüssiger gestalten, aber ich musste dann später feststellen, dass das doch wirklich ein nochmal sehr spezielles Thema im Gothic Modding ist, wo sich auch nicht so viele auskennen und was mich dann auch nicht so sehr interessiert hat. Und wir sind Kooperationen eingegangen, mit anderen Mod-Projekten. Zum Beispiel zuerst mit dem Carnage Graphics Patch von Mark56, der diverse Items ersetzt und das auf einem sehr guten Level macht. In einem Stil, der auch zu unserem passt. Als zweites dann noch Gothic Weapons Rebuilt von CeeX, der halt schon mal die ganzen Waffen überarbeitet und das hat ebenfalls sehr gut zu unserem Stil gepasst. Da haben wir gesagt "Lass uns doch einfach zusammenarbeiten".

Felix: Jetzt hast du mehrmals euren Stil erwähnt. Kann man den irgendwie beschreiben, also wie würdest du in Worte fassen, wie eure Mod aussieht?

Pierre: Einfach möglichst nah am Original, ab und zu mit ein bisschen kreativer Freiheit.

Felix: Zum Beispiel?

Pierre: Ein Beispiel für die Freiheit? Wir haben natürlich festgestellt, dass es etwas ermüdend ist, wenn man sich an so einer fertigen Vision abarbeitet und da wenig eigenen Einfluss drauf hat, wenig Freiheit. Deshalb haben wir uns dann entschlossen "Wir machen doch vielleicht mal die Textur hier noch ein bisschen anders" oder "Wir fügen in das überarbeitete Welt-Mesh ein paar neue Gänge ein, im Schläfertempel zum Beispiel" oder "Wir platzieren vielleicht noch ein paar neue Objekte".

Christian: Das heißt, da seid ihr dann bisschen weggegangen vom reinen Texturen-Upgrade und hab dann im Leveldesign tatsächlich etwas verändert. Habt ihr da so eine Art Leitlinie? Dass ihr sagt "Wir machen keine signifikanten Veränderungen" oder habt ihr gesagt "Wir bauen da jetzt mal das ein, was wir schon immer haben wollten."?

Pierre: Das geht schon ein bisschen in den Punkt der Organisation rein. Wir haben ein Forum, ein Unterforum auf worldofgothic.de, wo wir uns als Team organisieren und da ist es üblich, dass wir uns absprechen, wenn wir irgendwas Gravierendes machen. Aber wir kennen uns jetzt mittlerweile alle so lange und jeder weiß im Prinzip, welche Freiheiten er sich genehmigen kann ohne, dass er jetzt irgendwie mit uns diskutieren müsste. Da hat jeder so ein bisschen seinen eigenen Freiraum.

Felix: Das klingt jetzt auch, als würdet ihr eher parallel arbeiten und gar nicht mal unbedingt ständig wissen, was die anderen gerade genau tun. Wie läuft das denn genau? Wenn da mehr oder weniger jeder bei sich jetzt daheim sitzt und arbeitet an irgendeiner Kleinigkeit, inwiefern teilt ihr euch denn die Arbeit auf und spreche euch ab?

Pierre: Wir haben einen "Präsentationsthread", so heißt das bei uns intern, wo jeder ab und zu mal den aktuellen Stand zeigt von dem, was er gerade macht und dann gibt es natürlich auch mal das Ersuchen von einem Mitglied an das andere "Kannst du mir mal hierbei helfen?" oder "Kannst du mir hier mal eine Textur erstellen für den Teil des Levels, den ich gerade überarbeitete?". Aber grundsätzlich arbeiten wir schon gleichzeitig an getrennten Aspekten oder Aufgaben. Wir haben eine Zeitlang auch versucht, eine Übersicht zu führen, wer gerade was macht. Wir mussten dann aber feststellen, dass das für uns nicht funktioniert und haben es dann einfach sein lassen. Jeder läuft im Prinzip frei.

Felix: Kann denn dann jeder von euch genug, sag ich mal, um allein arbeiten zu können? Damit es nicht ständig passiert, dass jemand noch wen anders aus einem anderen Fachbereich braucht, um seine Arbeit fertig zu stellen? Also wenn es jemanden gibt, der modellieren kann aber dafür keine Bildbearbeitung und kriegt dann keine Texturen auf seinem Modell drauf. Sowas kommt nicht vor?

Pierre: So etwas kommt vor, aber es ist eigentlich kein Problem aufgrund der Art unseres Projektes. Wenn jetzt jemand die Welt überarbeitet, also das 3D Mesh überarbeitet wie du gerade als Beispiel angeführt hast, dann hat er quasi immer noch die originale Textur, die er da darauf legen kann und ausrichten. Er hat sozusagen die Zusage von dem 2D Artist, dass die neue Textur genauso aussehen wird und genauso aufgebaut ist. Dann muss man sich da nicht großartig absprechen. Es kann aber sein, dass man doch mal sagt "Ich brauch mal die Textur für die Stelle hier, ich muss genau wissen, wie das nachher aussieht" und dann unterbricht der andere auch seine Arbeit und macht an der Stelle weiter.

Christian: Man muss an der Stelle auch nochmal betonen, weil all diese Ausführungen jetzt schon so klingen als wärt ihr mega organisiert und professionell und als würdet ihr das mehr oder weniger Vollzeit machen: Das ist von euch allen ein Hobby, nicht wahr? Das aus deiner Projektidee entstand und dann hast du halt andere Leute dazu gekriegt, die diese Vision teilen und ihr macht das aber alles in eurer Freizeit. Dann stellt sich mir auch die Frage, wie das denn funktioniert? Passiert es dann nicht, dass im Laufe der Jahre einzelne Leute aussteigen oder die Lust verlieren oder neue Leute dazukommen? Und wie macht man dann so den Übergang, wie kann man von einer Person zur anderen Person die Aufgabenbereiche übertragen?

Pierre: Das ist eine gute Frage. Natürlich sind wir nicht dagegen gewappnet, dass irgendwann mal jemand aussteigt. Ich meine, das ist einfach das Leben. Wir entwickeln uns alle weiter, unsere Interessen ändern sich, wir haben vielleicht keine Zeit aus irgendeinem Grund. Aber wir haben einen Kern von Leuten, die aus irgendwelchen Gründen immer noch dabei sind und die immer noch Spaß daran haben. [Alle lachen] Wir haben natürlich auch immer mal wieder neue Leute aufgenommen. Wir sind auch jederzeit bereit, neue Leute aufzunehmen – mit einer kleinen Einschränkung. Die müssen schon ein bisschen was können, leider hat das die Vergangenheit gezeigt. Es zahlt sich nicht aus, den Leuten etwas [von Null an] beizubringen, weil gerade diese Leute die größte Tendenz haben, das Team wieder zu verlassen. Es lohnt sich für uns eher, wenn Leute dazu kommen, die schon Erfahrung haben aber das muss natürlich nicht auf einem professionellen, im Sinne von beruflichem Level sein. Ein bisschen Vorerfahrung muss halt schon da sein. Und in dem Puncto "Wenn jetzt einer geht, wie macht man dann an seiner Stelle weiter?", wir haben ein Projektarchiv, das ist ein sogenanntes Repository. Da steht quasi ein Server im Internet, auf dem wir unsere Dateien hochladen und die sind alle wunderbar geordnet und benannt – und das meine ich jetzt nicht ironisch, muss einfach so sein – und jeder hat auf seinem Rechner eine lokale Kopie davon. Und egal was passiert, dieser Stand wird nie verloren gehen. Da kann man sich dann auch einen Überblick verschaffen, wer schon was gemacht hat um auch sicherzustellen, dass Arbeit nicht doppelt gemacht wird. Wenn zum Beispiel jemand irgendwie am alten Lager was überarbeitet, setzt sich mal ein Wochenende hin und sagt "Ich mach jetzt mal die Dächer aller Hütten schön, ich modelliere jetzt mal die einzelnen Balken aus". Dann macht er das, lädt es dann hoch und dann haben es im Prinzip alle im Team und es wird auch nie verloren gehen, weil so ein Repository versionssicher ist. Das heißt es gibt nochmal Kopien von allen früheren Ständen aller Dateien.

Christian: Vielleicht für Leute wie mich, die sich diese Arbeit immer noch nicht so hundertprozentig vorstellen können. Wir sprechen davon, dass du ein ganzes Team hinter dir hast. Kannst du uns grob mal versuchen, so eine Einteilung zu machen, welche Aufgabenbereiche es so in eurem Team gibt, die für so ein Modding-Projekt eben relevant sind?

Pierre: Ich möchte dazu sagen, ich habe das Team eher neben mir als hintern mir. Ich bin jetzt nicht so derjenige, der alles vorgibt. Wir machen das sehr demokratisch. Was die Aufgabenteilung angeht: Wie schon oft erwähnt gibt es Leute, die machen 3D-Modellierung. Es gibt Leute, die machen 2D, also das heißt die entwerfen Texturen. Dann gibt es – jetzt relativ neu bei uns – Leute, die auch im Bereich Programmierung beziehungsweise Skripten etwas machen, was bei uns als grafische Modifikation sonst eher nicht gebraucht wird. Das hat sich mit der Zeit ergeben. Und dann gibt es noch ein paar speziellere Rollen. Eine Rolle zum Beispiel, das ist die des "Spacerers" – das ist so ein bisschen ein spaciger Begriff. Der Spacer ist der Welteneditor von Gothic. Wenn man jetzt mal auf der grünen Wiese arbeiten würde und man sagt "Ich erstelle jetzt von Anfang an meine Gothic Mod", dann wäre es sinnvoll erstmal die Welt… Okay, erstmal sollte man sich eine Story überlegen! Aber dann würde man diese Welt modellieren und würde anschließend dieses dreidimensionale Level der Welt in den Welteneditor reinladen. Und da kann man dann alle Bäume, Items und Wegpunkte platzieren. Darum muss sich auch jemand kümmern. Und dann haben wir noch jemanden bei uns etwas spezieller, das ist der Gnox, der sich um die Atmosphäre kümmert. Er hat immer ein Auge darauf, dass das, was wir machen, und das, was wir uns an Freiheiten erlauben, nicht zu weit vom Original abweicht. [Christian lacht]

Felix: Jetzt hast du gesagt, ihr habt mittlerweile doch ein paar Programmierer, die auch mit Skripten arbeiten, und auch selber schon erwähnt, dass das für eine Grafik-Mod eher unüblich ist. Wofür braucht ihr die denn genau?

Pierre: Also die Programmierer, das bin eigentlich ich. [Lachen] Das ist halt auch historisch gewachsen. Ich war zunächst tatsächlich derjenige, der 90% der Texturen gemacht hat. Dann ist später BlackBat hinzugekommen, die das jetzt komplett übernommen hat. Ich kümmere mich jetzt um Administration und Kommunikation nach außen hin, aber auch um technische Aspekte. Und da gibt es natürlich den – oder die – Server, die ich betreuen muss. Wir haben einen Bug Tracker, den ich betreue. Wo dann Bugs gesammelt werden, die wir in unserem Projekt finden. Und wir haben eine Webseite, die muss programmiert werden. Ja, also ein richtiger Programmierer würde das natürlich nicht "programmieren" nennen. [Lachen] Wir haben den Installer, der muss aber wirklich programmiert werden. Das habe ich übernommen. Einfach weil ich halt auch beruflich diesen technischen Hintergrund habe, kümmere ich mich vor allem um diese technischen Aspekte – wo dann auch Programmierung relevant ist. Wir hatten vorhin im Gespräch schonmal Ninja angesprochen, mit dem man dann kleine Patches machen kann. Da arbeite ich zum Beispiel gerade an einem Patch, der neue NPCs einfügt um das Spiel ein bisschen zu erweitern. Aber ich glaube, im Endeffekt wird es wohl ein Easter Egg werden.

Felix: Das heißt dieser neue Patch wird aber Teil eurer Mod sein und nicht eigenständig erscheinen?

Pierre: Richtig, aber halt eher... Ich glaube es wird im Endeffekt ein Easter Egg. Wir hatten uns da vor langer Zeit mal etwas überlegt, was wir dann aber nicht umsetzen konnten. Mit Ninja wird es jetzt aber möglich sein.

Felix: Gibt es denn generell – jetzt wo du das schon angesprochen hast – Gegenstände oder Aufgaben, die euch unmöglich erschienen, wo ihr dann gesagt habt "Das hier geht einfach nicht, obwohl wir es uns vorgenommen haben" oder "Hieran könnte vielleicht das ganze Projekt scheitern, wenn wir es nicht hinkriegen."?

Pierre: Ja, da gab es tatsächlich ein großes, ein wirklich sehr großes Problem. Und zwar ist das wie folgt. So ein dreidimensionales Mesh besteht aus vielen Punkten im Raum, die dann zu Dreiecken verbunden werden. Und wenn man die Dreiecke dann hübsch anordnet, dann kann man Körper daraus bilden – also im mathematischen Sinne [geometrische] Körper. Weil wir das Mesh überarbeiten, fügen wir immer mehr Punkte beziehungsweise mehr Dreiecke hinzu und da gibt es in Gothic tatsächlich eine Begrenzung, gegen die wir dann gelaufen sind. Das heißt, unser Mesh wurde zu komplex, als dass die Engine es hätte verarbeiten können. Und deshalb sah es lange so aus, als ob wir unsere Mod für Gothic 2 veröffentlichen müssten, was sowohl rechtlich nicht hundertprozentig sauber wäre und auch technisch ein paar Sachen anders gemacht werden müssten. Dann hätten wir quasi Gothic 1 in überarbeitet als Total Conversion Mod für Gothic 2 rausgebacht! [Felix und Christian lachen] Was unglaublich ist, also das sollte man nicht tun aber wir wären halt technisch gezwungen gewesen. Oder wir hätten sagen müssen "Nein, wir machen keinen überarbeitetes Mesh, wir treten das alles in die Tonne". Das war eine wirklich eine schlimme Phase, die dann natürlich auch an der Motivation gezerrt hat. Da hatten wir dann aber großes Glück, dass einige Zeit später… Ich weiß gar nicht mehr, wie es war. Ich glaube, ich bin damals auf Degenerated zugegangen – das ist der Autor des DirectX 11 Renderers für Gothic – weil ich dachte "Komm, der hat doch Ahnung von Grafik und kann dir bestimmt helfen!". Und dann hat er sich damals hingesetzt, hat sich das Problem angesehen und hat dann tatsächlich ein bisschen rumgehackt, hat ein Plug in geschrieben, dass dann die Engine von Gothic so manipuliert, dass sie unser komplexeres Mesh doch einlesen kann. Das hat uns dann im Endeffekt ermöglicht, unsere Mod doch für Gothic 1 zu veröffentlichen. Ich bin ihm natürlich bis heute sehr dankbar und habe ihm dafür auf dem nächsten Moddertreffen, wo wir uns gesehen haben, auch direkt einen ausgeben! [Felix und Christian lachen]

Felix: Jetzt abgesehen davon, dass es schwere Aufgaben gibt, die dann immer einzelne Teile des Projekts betreffen, finde ich es an sich schon eine schwere Aufgabe, über so eine lange Zeit ein Team zusammenzuhalten und immer wieder Motivation aufzubringen um weiterzumachen. Wie macht ihr das, dass ihr so lange durchhaltet, immer noch in dieser Mod arbeitet und immer noch das Ziel vor Augen habt?

Pierre: Ja, darauf habe ich keine wirklich gute und prägnante Antwort. Ich muss einfach sagen, da hat sich eine Handvoll Menschen zusammengefunden, die zusammen diese Leidenschaft für dieses Spiel teilt. Wir haben uns auch über diese Zeit hin entwickelt. Als ich zum Beispiel angefangen habe, war ich noch Schüler und war jeden Nachmittag um irgendwie 1 bis 2 Uhr zu Hause und dann konnte ich mich damit beschäftigen – das war quasi meine "Welt im Döschen", alles super. Und dann geht man so durchs Leben und macht eine Ausbildung oder – viele von uns, ich glaube fast alle haben – studiert, zwei arbeiten jetzt auch an ihrer Doktorarbeit. Das sind halt einfach sehr engagierte und hartnäckige Charaktere, das hält uns quasi zusammen. Aber man darf auch nicht den Fehler machen, anzunehmen, dass jeder immer und jederzeit daran arbeitet. Ich meine zum Beispiel gestern bin ich aufgestanden, gestern am Samstagmorgen, und hab erstmal geguckt "Welche drei Alben packe ich denn als nächstes in die Galerie?". Dann habe ich noch ein paar Untertitel gemacht und dann habe ich gefrühstückt – aber das ist nicht jeden Samstag so. Es gibt auch davor auch zehn andere Samstage oder so, wo ich an der Mod nichts mache. Und so sind auch die einzelnen Mitglieder mal phasenweise aktiver und phasenweise weniger aktiv. Manchmal hat man auch eine Phase, in der einer so eine Initialzündung gibt und dann passt es bei allen und dann bringen wir wieder richtig was voran. Und dann kann es aber auch sein, dass das die Mod mal wieder 3 oder 4 Monate rumliegt und nur einer nebenher ein bisschen was macht. So konnten wir uns, denke ich, die Motivation erhalten.

Christian: Wenn ich dich richtig verstanden habe, dann läuft dieses Projekt so langsam, ganz langsam, in Richtung Ende und Veröffentlichungen hin und du hast jetzt auch schon mal deine Homepage angesprochen – oder die Projekt-Homepage. Die ist ziemlich neu, sie sieht auch sehr fancy aus und auf dieser Homepage kann man sich dann eben auch über den Stand des Projekts und so ein bisschen was in der Arbeit geschieht – denn ihr seid ziemlich transparent, was das angeht, gerade für so ein Hobby-Modding-Projekt – informieren. Willst du vielleicht nochmal ein paar Worte zu deiner Homepage verlieren und sagen, was man da so finden kann?

Pierre: Wir haben die Homepage, glaube ich, im Dezember letzten Jahres neue gelauncht und das hat auch vor allem mit mir zu tun, weil ich für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig bin und ein schlechtes Gewissen gehabt habe, weil da jahrelang aus meiner persönlichen Sicht zu wenig kommuniziert wurde und wir eben nicht transparent waren. Die Leute haben quasi auf unsere Mod gewartet und wurden dann natürlich frustriert werden, weil sie denken "Wird da noch dran gearbeitet?". Und deshalb haben wir dann – ich, unterstützt vor allem durch unser Mitglied AmProsius – diese neue Webseite gelauncht, wo man jetzt alles Wichtige findet. Wir haben einen Blog, in dem ich auch aktiv Artikel schreibe und auch Gnox hat schon einen Gastartikel geschrieben. Wir haben eine Galerie, bei der wir jetzt auch noch einiges an Futter in der Hinterhand haben, wo alle zwei Wochen immer wieder ein neues Album reinkommt. Es gibt eine schöne Übersichtsseite, da könnt ihr euch angucken, was wir in der Vergangenheit so veröffentlicht haben. Und natürlich sind auch andere Projekte aus dem Gothic-Kosmos sind dort verlinkt, die wir besonders gut finden und auf die wir andere hinweisen möchten.

Christian: Wenn andere Menschen jetzt unseren Podcast hören und dadurch darauf aufmerksam werden oder irgendwie anders auf eurer Homepage gestoßen sind und sagen "Boah, das ist eigentlich voll gut und ich freu mich drauf ich, ich möchte das auch mal haben und ich möchte meinen Beitrag dazu leisten, dass dieses Projekt tatsächlich vollendet wird und die Mod spielbar wird"… Du hattest schon gemeint, dass ihr durchaus immer noch offen seid, auch neue Teammitglieder aufzunehmen, sofern sie halt schon gewisse Kompetenzen mitbringen. Welche anderen Möglichkeiten gibt es denn, das Projekt zu unterstützen?

Pierre: Eigentlich nicht so viele, es ist ein Mitmachprojekt und die beste Unterstützung ist mitzumachen. Wir haben aber natürlich auch ein paar Kosten. Das sind vor allem Kosten für Hosting des Webservers, also dafür, dass die Webseite erreichbar ist. Und dann ist es so, dass wir uns auch Bildmaterial aus öffentlich verfügbaren Bibliotheken besorgen und das kostet [unter Umständen] auch Geld. Das war eigentlich in der Vergangenheit kein großes Problem für uns, aber gerade was die Gestaltung der NPCs angeht [haben wir da Bedarf]. Von daher kann man uns über PayPal etwas spenden. Noch – Stand der Aufnahme heute – befindet sich dieser Spenden-Button aber nicht auf unserer Webseite. Ich war mir noch nicht ganz sicher, ob ich ihn wirklich auf die neue Webseite packen soll. Klar, wir haben Kosten, aber das sind jetzt auch keine… also man wird davon nicht arm. Wir gehen alle arbeiten und haben Geld. Das ist jetzt nicht mehr so die Situation wie damals, als wir Schüler oder Studenten waren. Das ist heute nicht mehr so das Problem.

Felix: Wie steht es denn generell so um die Community rund um euer Projekt? Sind da noch viele Leute aktiv, die sich immer mal erkundigen, was es Neues gibt oder vielleicht sogar Vorschläge bringen?

Pierre: Ja, da muss ich sagen, haben wir einige sehr treue Fans, die auch regelmäßig bei uns im Forum vorbeischauen und Fragen stellen oder auch zu jedem Fitzelchen, das wir veröffentlichen, etwas sagen. Ich glaube – das hat die Vergangenheit quasi gezeigt – dass wir auch tatsächlich einige stille Leser haben, die einfach nur darauf warten, dass unsere Mod endlich fertig wird, damit sie dann noch einmal Gothic spielen können, so wie sie es aus ihrer Kindheit in Erinnerung haben.

Christian: Gibt es einen definitiven Release-Termin, gibt es irgendein Datum, auf das man zu fiebern kann? So dass man sagt "Spätestens dann, dann kann ich dieses Spiel endlich wieder nochmal in schön spielen."?

Pierre: Solche Zusagen, sind natürlich schwierig und sie fallen natürlich leichter, wenn man eine professionelle Projekt- und Budgetplanung hat. Der Stand ist aktuell so: Der einzige Level-Teil, der noch fehlt, ist der Schläfertempel. Der ist unglaublich groß, also ich kann… der ist unglaublich groß, das denkt man gar nicht, wenn man Gothic spielt. Die erste Hälfte ist fertig und wir brauchen natürlich noch ein bisschen Zeit für die zweite Hälfte. Und dann müssen wir uns als Team entscheiden. Was wollen wir noch machen, bevor wir die Mod wirklich veröffentlichen? Wo sind wir bereit, Abstriche zu machen und zu sagen "Ne, komm das bauen wir jetzt nicht mehr ein."? Das steht noch in den Sternen, diesbezüglich müssen wir noch einen Konsens finden. Ich denke mal, dass wir es vor dem oder im besten Fall sogar zum 25. Jubiläum schaffen werden – von Gothic, nicht von unserer Mod. [Alle lachen]

Felix: Gibt es denn irgendwelche Sachen wo du noch besonderen Wert drauf legen würdest, wo du sagst "Das muss vor Release auf jeden Fall noch überarbeitet werden."?

Pierre: Ja. Ich hätte gerne, dass wir noch alle Items und Objekte überarbeiten. Das ist natürlich auch mal nochmal eine Menge Arbeit aber es ist etwas, was auf jeden Fall mich persönlich auch nochmal motivieren würde, halt wieder Texturen zu machen und ein bisschen aus dem technisch-administrativen heraus zu kommen. Da haben wir uns durch unsere Kooperationen schon gut eingedeckt, aber es ist noch nicht alles… abgedeckt.

Christian: Wäre es nicht das perfekte Ende für diese Geschichte, dass du als derjenige, der mit den Texturen anfing – und das Projekt dann immer größer wurde, dann irgendwann weg von den Texturen gegangen bist – für den Feinschliff, den Schlussstein dieses Gebäudes, dann nochmal in die Texturierung gehst? Ach, das wäre so ein Schluss.

Pierre: Ja, das wäre schön aber ich bin auch qualitativ nicht mehr auf dem Level wie BlackBat, die jetzt unsere Texturen macht, muss man einfach sagen.

Felix: Wie ist das denn beim aktuellen Stand? Wenn ich jetzt vor einer neu-texturierten Wand oder einem Haus oder irgendeinem Item rumstehe, was noch die alte, nicht-überarbeitete Textur hat, merkt man das sehr? Sticht das heraus?

Pierre: Ich denke, ja. Es gibt ein paar Sachen, die nicht sehr auffallen und das sind zum Beispiel die Gesichter. Die sind relativ gut gemacht und werden auch nur auf einer kleinen Fläche dargestellt. Aber gerade die Items selbst sind oft verhältnismäßig klobig und gerade wenn man da einen Mix hat zwischen überarbeiteten und nicht-überarbeitet Items, dann sieht man den Kontrast stark.

Christian: Wenn die Mod fertig ist, wo werden sich die Fans dann die Mod holen können? Gibt es irgendwie eine zentrale Anlaufstelle dafür?

Pierre: Es gibt natürlich einmal unsere Webseite www.gothic-reloaded-mod.org und auch www.worldofgothic.de, wo sicherlich dann eine entsprechende News eingestellt wird und unsere Mod dann im Download-Bereich zur Verfügung stehen wird. Es gibt übrigens, ganz unabhängig von unserer Mod, einen Mod-Manager von Bonne6, der heißt "Spine". Das kann man sich installieren und dann kann man sich quasi beliebige Mods aus einem Katalog installieren. Man kriegt dann eine Auswahl, kann darin suchen und klickt "Installieren". Und zack, hat man die Mod installiert. Da muss man gar nicht mehr auf irgendwelchen Webseiten rumsurfen. Das ist natürlich auch ein heißer Tipp.

Christian: Wir werden auf jeden Fall den Link zur Website und damit zum Projekt in unsere Folgenbeschreibung packen, sodass ihr euch da auch mal umschauen könnt. Pierre hat es eben schon gesagt, er stellt regelmäßig Galerien online, die – wenn wir das richtig gesehen haben – in einer zufälligen Ordnung sind. Richtig? Das heißt, sie sind nicht chronologisch geordnet und stellen von oben nach unten oder anders herum die Entwicklung des Projekts dar, sondern sind einfach willkürlich ausgewählte Ansammlung von Bildern und Projektbausteinen?

Pierre: Ja und nein. [Lachen] Es ist, wie gesagt, unsere neue Webseite. Wir hatten vorher aber auch schon eine Webseite, welche auch eine Galerie hatte und alles, was da drin war, haben wir quasi instant auch auf der neuen Webseite veröffentlicht. Aber weil wir – und das muss ich mir anlasten und ich halte auch die zweite Wange hin, falls jemand mit mir schimpft – jahrelang wenig kommuniziert haben, hat sich hat sich einiges an Content angehäuft. Ich habe das alles sortiert, in Alben eingeordnet und so. Da kommt jetzt nach und nach was. Wie gesagt, jedes zweite Wochenende, jeden zweiten Samstag, packe ich etwas auf die Webseite. Es wäre jetzt falsch zu behaupten, dass das irgendwie zufällig ist. Es ist nicht-chronologisch aber inhaltlich passt es zum Beispiel zu dem Blogartikel, der dann kurz davor oder danach erscheint. Ich habe festgestellt, dass einige Inhalte, die wir noch auf Lager haben… Man braucht einen gewissen Kontext, um das verstehen zu können als außenstehender Betrachter und den Kontext muss ich immer erstellen. Entweder in Form von Bilduntertiteln oder in Form von einem Blogartikel und deshalb können wir leider nicht alles auf einmal drauf packen. Ich glaube, es wäre auch nicht so spannend, wenn es streng chronologisch wäre. So haben wir jetzt mehr Abwechslung drin.

Christian: Es ist auf jeden Fall sehr spannend, sich durch eure Arbeit durchblättern zu können und sich das Ganze anzuschauen. Und insofern möchte ich alle HörerInnen auch dazu ermutigen, mal einen Blick auf diese Website zu werfen. Dann würde ich sagen machen wir jetzt noch mal so zum runden Abschluss etwas, was ich auf den ersten Blick interessanter fand, als es sich dann nach meinen Recherchen herausgestellt hatte – das Gothic 1 Remake. Mein erster Gedanke war nämlich "Oh, jetzt bringen die da tatsächlich ein Remake vom ersten Teil raus, macht das nicht vielleicht eure gesamte Arbeit obsolet?" und dann habe ich mir das Remake mal genauer angeguckt. Bevor du jetzt dein Statement abgibst, sag ich ein paar Worte dazu. Das Ganze ist nämlich im Dezember 2019 als Playable Teaser eben dieses Gothic 1 Remakes zugänglich gemacht worden. Man muss auch dazu sagen, dass ich damals ein klein wenig hyped war, als ich das mitbekam. Das liegt aber weniger daran, dass es jetzt unbedingt das Gothic 1 Remake war, sondern eher an den Umständen, die es damals gab. Weil im Oktober 2019 kam Disco Elysium raus, da habe ich die ganze Zeit schon drauf geschielt und mich auf ein geiles, neues Old School-Rollenspiel gefreut. Im November kam Shenmue 3 raus, wiederum ein absoluter Klassiker einer jahrzehntealten Spielreihe – immerhin kam Shenmue 2 im selben Jahr raus wie Gothic 1 und das war damals voll gehypt. Ich hatte auch schon erwähnt, dass THQ Nordic im Jahr 2019 Piranha Bytes aufgekauft hatte und dann kam nämlich im Dezember dann ein Tweet von Piranha Bytes, in dem angekündigt wurde, dass 2020 ein neues Spiel angekündigt werden soll, an dem mittlerweile schon gearbeitet werden sollte zu diesem Zeitpunkt. Das ist allerdings, so mein Kenntnisstand, dann nie geschehen. Aber viele glauben eben, dass es Elex 2 sein soll und dann kommt im selben Monat dann eben auch noch dieser Playable Teaser von dem Gothic Remake raus. Und, weißt du, die alten Rollenspieler waren diese zwei, drei Monate alle so "Boah, wir werden hier beliefert mit ganz vielen neuem Content und neuen Spielen und auch Remakes von alten Spielen!". Das klang erst mal ganz klasse. Dann wollte man diesen Playable Teaser spielen und hat festgestellt: Das geht gar nicht, außer man hat irgendeines der alten Piranha Byte Spiele bereits in der Steam-Bibliothek. Dann kann man diesen Playable Teaser eben spielen. Das heißt das war mehr so ein Service für die treuen Fans, sage ich mal. Wie hast du und wie habt ihr als Team auf dieses Gothic Remake reagiert?

Pierre: Ich habe es natürlich auch runtergeladen und installiert. Ich muss dazu sagen, ich musste mir tatsächlich auch erstmal einen Teil von Gothic auf Steam kaufen [Christian lacht], weil ich natürlich noch die Originalversion auf CD habe. Ich habe es auch tatsächlich bis zum Ende durchgespielt und war wirklich nicht sehr begeistert, nicht sehr angetan davon. Ohne da jetzt in der Tiefe drauf eingehen zu wollen: Der Held selber war einfach unglaublich, eine unsympathische Quasselstrippe, also das war… Es war nicht der Held, das war eher so ein Mud – wer ihn noch aus dem alten Lager kennt. Jemand den man eigentlich am liebsten… egal, lassen wir das. Und ich fand auch Diego war unglaublich schlecht getroffen. Er ist eigentlich ein ernster, aber sehr findiger Charakter und das war einfach... Ich weiß nicht, vielleicht ein junger Ezio Auditore.

Christian: Au ja, das ist eine gute Beschreibung, das trifft es sehr gut.

Pierre: Und man hatte das Gefühl, dass diejenigen, die diesen Playable Teaser entwickelt haben, von der "Gothic-Essenz" gar nichts verstanden haben. Es gab aber jetzt tatsächlich anlässlich des 20. Jubiläums des ersten Teils ein Interview mit Reinhard Pollice, der bei THQ die Entwicklung des Remakes [mit-]verantwortet und er hat gesagt, dass sie sich dieses Feedback sehr zu Herzen genommen haben und dass es ein Spiel für die Gothic Fans werden soll, in dem man auch auf Mainstream-mäßige Features verzichten wird, um ein adäquateres Produkt auszuliefern als diesen Playbale Teaser. Insofern bin ich sehr gespannt, was da tatsächlich draus wird. Wir im Team haben aber gar keine Sorgen, was das angeht. Denn unabhängig davon, wie gut oder wie schlecht dieses Remake dann sein wird, wird es dem ganzen Thema Gothic nochmal zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen.

Christian: Ja, mit Sicherheit. Je nachdem wie ihr arbeitet, kommt eure Mod vielleicht sogar nach dem Remake raus und da wird es doch sicherlich die ein oder anderen da geben, die sagen "Oh, das war vielleicht ganz nett und es sah schick aus aber es ist halt irgendwie nicht dasselbe Feeling wie bei Gothic 1" und vielleicht erweckt es in denen erst recht die Sehnsucht nach dem richtigen Gothic 1, einem ordentlichen Remake und nicht eher so einer kompletten Neugestaltung. Wer weiß, vielleicht hilft euch das am Ende?

Pierre: Ja, das könnte sein. Ich habe ein bisschen die Vermutung, dass unsere Veröffentlichungszeitpunkte zeitlich gar nicht so weit auseinanderliegen werden. Man darf gespannt sein, wie viel Konkurrenz dann nachher um die Spielergunst entsteht, hinsichtlich des offiziellen Remakes und des, ich sag mal "inoffiziellen Remakes". Ich bin gespannt.

Felix: Danke erst einmal für diese ganzen Einblicke in euer Projekt im Konkreten und außerdem generell die Geschichte des Gothic Moddings. Wie ich es mir am Anfang erhofft hatte, war das sehr interessant für mich und es war schön, mal wieder abzutauchen in diese Welt, in der ich schon länger nicht mehr war. Für all die Leute, die jetzt darauf aufmerksam geworden sind: Die Links zu eurem Projekt und auch dem Forum und allem weiteren werden – so Christian daran denkt – alle in der Folgenbeschreibung sein. [Christian lacht] Doch nicht nur ihr, sondern wir haben auch eine Homepage, startthegamealready.de. Dort findet man unsere ganzen alten Folgen und auch wenn es neue gibt, werden sie dort erscheinen und aufgeführt werden. Man findet dort mitunter unsere laufenden Serien beziehungsweise die laufende Serie. Age of Empires haben wir früher gemacht, das haben wir jetzt abgeschlossen vorerst, mit Tipps und Hinweisen zu dem Spiel. Ab und an gibt es dann wieder Neuigkeiten. Momentan läuft etwas zu Dark Souls 2. Wir spielen das Spiel dort parallel durch – Christian zum ersten Mal und ich zum wiederholten Mal – und sprechen dann abschnittsweise darüber. Außerdem auf der Homepage zu finden sind natürlich die Links zu unseren ganzen Social Media-Seiten, Twitter und Instagram. Da gibt es auch immer mal wieder Neuigkeiten. Und nicht zuletzt gibt es dort auch einen Link zu unserem Discord Server, wo man immer gerne mit uns diskutieren kann und sich austauschen über unsere neuesten Folgen und generell Spielethemen. Und damit bis zum nächsten Mal.

Christian: Tschüss!

Pierre: Tschüss, vielen Dank.